Bau dir einen Hitsong mit dieser leichten Formel

Du möchtest dein Wissen übers Songwriting vertiefen, das ist löblich. Ich bin Vocal Coach und habe schon viele Songs geschrieben, beziehungsweise anderen Menschen dabei geholfen ihre zu verfeinern. Deswegen denke ich, kann ich dir noch ein paar Tipps mit auf den Weg geben, damit du Anfängerfehler vermeiden kannst.

Nachdem wir jetzt schon über spannende Songtexte und Reime gesprochen haben, widmen wir uns heute der Songstruktur. Auch wenn ich immer dazu sage, du kannst beim Songschreiben machen was du möchtest, solltest du wissen, dass deine Zuhörer gewisse Dinge erwarten und es merken werden, wenn etwas fehlt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und nimmt Neues nur in kleinen Dosen auf. Deswegen dosiere weise 😉

 

Alles hat seinen Platz – die Struktur eines Pop-Songs

  1. Intro: Meist instrumental kann aber auch gesungen sein und ist ungefähr 4-8 Takte lang. Wenn das Intro länger ist, muss eine musikalische Daseinsberechtigung haben. In der Regel wird es eher kurz gehalten, damit man die Aufmerksamkeit der Zuhörer behält.
  2. Verse: Hier erzählt ihr kurz und bündig die Hauptgeschichte in jeweils 8-16 Takten, die sich mit jedem Verse etwas mehr erschließt.
    Denkt es euch wie einen Blockbuster: der erste Verse ist eine Einleitung ins Szenario, oft mit Ort und Zeitangaben.
    Katy Perry’s “The One that got away” macht es vor: “Summer after Highschool when we first met, we made out in your Mustang to Radiohead”… Dann folgt eine Verdichtung der Ereignisse im 2. und 3. Verse.
    Wichtig hierbei ist das “Show – Don’t tell“-Prinzip: Ihr versucht ein Gefühl zu vermitteln, aber tut das durch Aktionen und appelliert an die Vorstellungskraft der Hörer. Benutzt Verben um zu beschreiben wie eine Person handelt, wenn sie sich so fühlt.
    Zeichnet konkrete Bilder von Dingen, die die Hörer vor ihren inneren Augen sehen können, z.B. anstatt “Er trauerte über ihren Tod” schreibt: “Er fiel auf die Knie und legte Blumen auf ihr Grab”.
  3. Pre-Chorus: Das ist ein textlicher und musikalischer Aufbau von der Strophe (Verse) zum Chorus hin. Es verändert sich oft rhythmisch etwas und die Spannung erhört sich.
  4. Chorus: Regelmässige Radiohörer sind darauf trainiert in den ersten 60 Sekunden des Songs schon den ersten Chorus zu hören und erwarten diesen auch.
    Hier könnt ihr eine allgemeine Message loswerden, dies kann die Moral der Geschichte sein, und auch um einiges philosophischer und poetischer.
    Der Chorus ist bei jeder Wiederholung gleich, hat die eingängigste Melodie in 4-8Takten und enthält die Hookline. Das ist der Teil, den dann alle mitsingen 🙂 Für euch wirkt es anfangs vielleicht komisch, wenn sich der Chorus 3-4 Mal im Song wiederholt und nichts Neues passiert, aber so verinnerlichen die Zuhörer den Song auch beim “nebenbei” hören.
  5. Bridge/C-Teil: Hier kommt ein Umdenken oder eine Intensivierung des Gesagten. Sie ist der spannungsgeladene Höhepunkt des Songs. Die Bridge reißt alles rum, führt einen neuen Gedanken ein oder intensiviert das gesagte.
    Oft kommt statt oder nach der Bridge noch der C-Teil, der ein musikalische Höhepunkt ist. Er führt den Song auf eine stärkere emotionale Spannung hin, bis er sich wieder im Chorus auflöst oder in ein Outro bzw. einen Schluss mündet.

Verse-Refrain-Verse-(Bridge)-Refrain

Die Verse-Refrain-Form ist eine alte Form, die in traditionelleren Country und Folk-Songs benutzt wird. Ein Refrain besteht 2 Phrasen (Gesangslinien) die am Ende einer Strophe platziert werden um diese abzuschließen.
In unserem Song “Collide” gibt es keinen Chorus per se, sondern nur diese abschließenden Phrasen am Ende eines jeden Verses und eine Bridge.

“Let me be the sparrow
to your shattered window
and if your are an arrow
let me be your game
if you feel heartbroken
let me take the blaming
let me collide with you
collide (Your Ex is going to kill us – Collide)

Pop-, Rock- und Country-Songs sind in einer ähnlichen Song-Struktur aufgebaut, die zum Beispiel so aussehen könnte…

Intro-Verse-(Pre-Chorus)-Chorus-Verse-(Pre-Chorus)-Chorus-(Bridge)-(Pre-Chorus)-Chorus-(Outro)

oder…

Intro-Verse-Verse-Chorus-Verse-Chorus-Bridge-Chorus

Das sind die klassischen Teile eines Liedes, wie man sie aus dem Radio kennt.
Ob ihr all diese Teile auch wirklich einbaut, bleibt euch überlassen. Einige berühmte Hitsongs leben davon, dass sie diese Form sprengen, wie am Beispiel von Queen zu sehen, die bei Bohemien Rhapsody einfach den Chorus weglassen.
Ich spiele in meinen Songs gerne mit Erwartungen und verändere den letzten Chorus textlich oft ein Stück. Ich nehme das auch als ein Stilmittel, das meine Texte wieder erkennbar macht.
Also: Spielt euch mit den Elementen, erlaubt ist was funktioniert.
Wenn ihr euch nicht auf noch genauer wissen wollt, was alle Hitsongs gemein haben, bietet das Buch How to (not) Write a Hitsong – 101 Common Mistakes einige gute Anhaltspunkte.

 

So kann man die Unterscheidungen in Genres auch darstellen :D

Jazz Standards wieder rum sind ganz anders aufgebaut:

Das Thema (Hauptmelodie, bei Popsongs würden wir es die Hook nennen) kommt im A-Teil,
verändert oder moduliert im B-Teilund oft gibt es noch einen C-Teil, oder einen A’-Teil, der den A-Teil leicht abgeändert wiederholt.
Bei den verschiedenen Teilen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, oft sind sie in einer anderen Tonart (natürlich gut durchdacht ;), langsamer und nur durch den Text oder eine gemeinsame Idee verbunden.
Diese Form wird bei live Konzerten meist nicht nur einmal durchgesungen, sondern öfter und ab dem zweiten Mal verändert sich die Melodie, wird durch Solos (beim Singen Scatten) ersetzt und kann damit ewig in die Länge gezogen werden.

Eine meiner früheren Gesanglehrerinnen meinte einmal: Ein durchschnittlicher Pop-Song hat 3:00 Minuten, ein durchschnittlicher Jazzsong dagegen dauert 25 Minuten 😀

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